Wer ist hier das Schadtier?

Maulwurf
shutterstock.com / Bildagentur Zoonar GmbH

Der Garten von meiner Frau und mir ist etwas größer geraten. Er war beim gebrauchten Haus einfach dabei. Auf dem Land waren die Grundstücke früher so groß, weil man sich selbst versorgte und dies wohl eher mit der Natur als gegen sie. Als wir ihn übernahmen, konnte man seinen Zustand einfach beschreiben: Brennnesseln, Brombeeren und Ackerwinde, die sich mannshoch, gefühlt bis zum Horizont erstreckten. Erst nach schweißtreibenden Wochen, zahlreichen Nesselstichen sowie unendlichen Rückenschmerzen sahen wir im wahrsten Sinne des Wortes Grund.

Wir wussten, dass man aus Brombeeren leckere Marmelade machen kann und lernten bei der Gartenarbeit, dass gegen Nesselbrennen schnelles Abspülen und der Saft des Löwenzahns hilft. Unser erster eigener Brennnesseltee schmeckte nicht nur uns, und so steht fest: Auch die Unkrautmedaille hat wohl eine zweite Seite!

Mähen mit Schuldgefühlen
Vier Stunden dauert die Fahrt mit unserem geländetauglichen Rasenmäher über den „Palazzo verde“. Jede davon tut uns weh beim Gedanken an die unzähligen Insekten, die dabei ihr Leben verlieren. Wir fühlen mehr denn je, dass der Garten nicht uns gehört, sondern insbesondere den Schnecken, Wühlmäusen oder Maulwürfen, deren Erdhaufen sich jede Woche von Neuem erheben.

„Schadtiere“ nannte sie pauschal der junge Verkäufer unseres Rasenmähers, der stolz war, gerade seinen Jagdschein gemacht zu haben - er im Einklang mit der Natur! Die Einteilung „Schadtiere“ und „Nutztiere“ trifft nur der Mensch. Seine Messlatte ist, wie weit ein Tier ihn in seinem Lebenswerk stört. Jenes Lebenswerk, das vielfach von Gewinn und Wohlstand geprägt ist, fördert durch Monokulturen und die Bevorratung der Lebensmittel für zu viele Menschen die Ausbreitung der „Schadtiere“.

Reichten bei den Ägyptern noch Katzen aus, um die Ernte vor kleinen Nagern zu sichern, müssen heute ganz andere Geschütze her. Chemie gegen Maus und Käfer haben die Nahrungskette für andere Tiere und auch Pflanzen schwer geschädigt. In China müssen Obstbäume heute vielfach von Hand bestäubt werden, weil Insekten fehlen, und hierzulande finden heimische Singvögel nicht mehr ausreichend Nahrung, um ihre Nachkommen großzuziehen. Die Folgen unseres Handelns, für die komplizierte Natur betrachtet, legen nahe, dass das einzige wirkliche Schadtier der Mensch ist!

Zurück