Wenn Menschen feiern
Dieter Nuhr ist sprachgewandt und hat einen gefälligen Humor. Kürzlich meinte er, dass sich in der Evolution immer die Gewalttätigen fortgepflanzt hätten. Die Stärkeren eben. Freundlichkeit und Schwäche habe sich eher nicht ausgezahlt. Zum Gefühl des „Stärker-seins“ gehöre für manche Menschen auch, sich in die Luft zu sprengen. Aber wer sich in die Luft sprenge, so Nuhr, könne sich nicht mehr fortpflanzen, egal wie gewalttätig er auch war. Schimpansen, sagt er, würden sich nicht in die Luft sprengen, weil sie clever seien. Darum bezeichne man sie auch als Menschenaffen.
Sie entschuldigen meinen kleinen persönlichen Exkurs. Aber am Ende jedes menschlichen Streitens und Kämpfens steht eine Feier. Es feiern die Sieger des Krieges, die Überlebenden eines Massakers oder einer Katastrophe, dass sie überlebten.
Aber bevor der Mensch etwas feiern möchte, muss er erst etwas töten. Keine kritische Erkenntnis von mir, sondern von meiner Düsseldorfer Kollegin Monika Piasetzky. Glaube, Dankbarkeit, der Wunsch etwas Wertvolles zu geben – die Beweggründe, ein Tier zu töten sind vielfältig. Deswegen aber nicht gerechter.
Denn es trifft dabei immer die Schwächsten: wehrlose Tiere. Zu Weihnachten, dem Fest der Nächstenliebe, sterben Millionen von ihnen, obgleich mir scheint: Wegen ihres Glaubens und der Erinnerung an Christi Geburt feiern die wenigsten. Das Töten ist heute eine einfache Sache, zumindest, wenn das Opfer bereits im Tiefkühlregal liegt. Nichts ist blutig, der Geruch des Sterbens fehlt und keiner muss zusehen, wenn fühlende Lebewesen offensichtlich um ihr Leben kämpfen. Wenn halblebendige Schweine gebrüht werden und Rinder zuschauen müssen, wie ihre Artgenossen durch den Schlachter sterben.
Im Islam wird geschächtet, und die katholische Kirche schweigt zur Massentierhaltung. Und so ist es auch kein Wunder, dass den Bischöfen die Kirchen leer bleiben und ihnen die Menschen den Rücken zukehren.
Nächstenliebe soll es sein, wenn man andere zum Essen einlädt und mit ihnen das getötete Tier teilt. Im Islam übrigens sehr ähnlich wie im Christentum. Nächstenliebe, sollte sie in dieser Zeit in uns weilen, hört beim Tier auf. Das ist ganz eindeutig! Aber wer in unserer Gesellschaft wenig hat, muss zum Billigen greifen, heißt es. Das ist vielfach das Fleisch der Discounter. Doch zum Fest der Nächstenliebe kann jeder Leben schenken, vegetarisch feiern und teilen.